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  • Christen in Karachi, Pakistan, demonstrieren gegen das Blasphemiegesetz. (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Christen in Karachi, Pakistan, demonstrieren gegen das Blasphemiegesetz. (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Sonia Bibi, 24, kam am 30.11.2020 in Pakistan ums Leben, da sie sich weigerte, ihre Religion zu wechseln und zu heiraten. (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Shahid Mobeen, pakistanischer Professor für Philosophie in Rom. (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)

Christen in Pakistan: „Ein erster positiver Schritt“

Religiöse Minderheiten in Pakistan, wie z. B. Christen und Hindus, sehen sich einer schmerzhaften Diskriminierung und Verfolgung durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt. Eine neue Initiative der Regierung soll dem Einhalt gebieten. «Kirche in Not (ACN)» fragte Shahid Mobeen, pakistanischer Professor für Philosophie in Rom, nach seiner Einschätzung der Situation.

Sehr geehrter Herr Prof. Mobeen: Am 7. Januar hat die pakistanische Regierung einen "Appell an die Nicht-Muslime in Pakistan" veröffentlicht. Was enthält dieser genau?
In dem Appell wurde die Schaffung einer speziellen Abteilung für interreligiöse Harmonie innerhalb des Regierungsbüros angekündigt. Allerdings hat der zuständige Vertreter Tahir Mehmood Ashrafi den Worten noch keine Taten folgen lassen. Es ist ein erster positiver Schritt zum Schutz des Rechts auf Religionsfreiheit für Nicht-Muslime in Pakistan. Allerdings ist es kaum mehr als ein Zeichen des guten Willens.

Warum richtet sich der Appell an Nicht-Muslime? Ist es nicht eher die muslimische Bevölkerung, die angesprochen werden sollte?
Die nicht-muslimische Bevölkerung muss mit ins Boot geholt werden, es muss eine gemeinschaftliche Anstrengung sein. Aber es ist die muslimische Bevölkerung, die ihre Einstellung ändern muss. Außerdem: Warum wurde ein Muslim [Tahir Mehmood Ashrafi] als Repräsentant eingesetzt? Es wäre viel effektiver gewesen, ein Mitglied einer religiösen Minderheit zu wählen.

Was ist die grösste Bedrohung für die nicht-muslimische Bevölkerung in Pakistan?
Da ist einmal der Missbrauch der Blasphemiegesetze, die dazu benutzt werden, Menschen daran zu hindern, ihren Glauben offen zu leben und zu verkünden. Aber vor allem ist es die Entführung und Zwangskonversion von minderjährigen Mädchen. Bis zum letzten Jahr betrug die Zahl der Zwangskonversionen von christlichen Mädchen etwa 1000 Fälle pro Jahr. Im Jahr 2020 stiegen die Fälle auf über 2000 an. Dabei geht es den Tätern eigentlich nicht darum, Menschen zu ihrem Glauben zu bekehren. Wenn es so wäre, warum versuchen sie dann nicht, ältere Witwen zu bekehren? Sie wollen einfach junge Mädchen als Ehefrauen haben.

Sind Christen und andere religiöse Minderheiten (z.B. Hindus) in gleicher Weise bedroht?
Gegenüber den Hindus gibt es eine Kombination aus religiöser und politischer Feindschaft, wegen ihrer Loyalität zu Indien. Allerdings ist die religiöse Abneigung gegen Christen stärker.

Wir hören auch von positiven Beispielen lokaler Zusammenarbeit zwischen Muslimen und Christen, sogar vom gemeinsamen Bau einer Kapelle wie in Gujranwala in der nordöstlichen Provinz Punjab. Liegt die Hoffnung auf zukünftige Versöhnung eher an der Basis und weniger in offiziellen Verlautbarungen?
Es ist ein wechselseitiger Prozess. An der Basis werden Menschen sensibilisiert und liefern positive Vorbilder, was die öffentliche Meinung beeinflussen kann. Letztlich ist es aber das Bildungssystem, das noch ein Relikt der 1970er- und 1980er-Jahre ist, das sich verbessern muss, und dafür ist die Regierung zuständig. Bildung brachte einst den Hass zu den Menschen, jetzt muss sie die Heilerin sein.

«Kirche in Not (ACN)» unterstützte Projekte in Pakistan im Jahr 2019 mit rund CHF 1 Million.