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Ägypten: Christen leben Respekt und Toleranz

„Obwohl die in Gesellschaft in Ägypten Christen gegenüber oft feindlich gesinnt ist, leben diese Respekt und Toleranz“, sagt Pfarrer Kamil Samaan. Der koptisch-katholische Priester besucht vom 24. bis 28. April Gemeinden in der Deutschschweiz, um über das Schicksal der Christen im Land am Nil, dessen Einwohner hauptsächlich sunnitische Muslime sind, zu berichten.

Pfarrer Samaan, in Ägypten sind Christen mit etwa 10% Bevölkerungsanteil in der Minder­heit. Werden Christen in Ihrem Land benachteiligt? Wie drückt sich das im Alltag aus?

Samaan: Besonders wenn es um die Arbeitssuche geht, haben Christen oft deutlich schlechtere Chancen. Schon am Namen erkennt man, ob jemand Christ ist oder nicht. Bei neutralen Namen, wird oft weiter gefragt, bis man sich sicher ist, ob jemand Christ oder Muslim ist. Ist er Christ, kommen häufig unmögliche Fragen oder Grundsatzdiskussionen auf.
Ein anderes Beispiel, das in den ägyptischen Medien thematisiert wurde, ist der Fall eines jungen Torhüters, der extrem talentiert war und seine Fähigkeiten demonstrierte. Sobald er seinen Namen aussprach wurde er nochmals geprüft und man lehnte ihn ab.
Die Diskriminierung ist aber immer eine Frage der Einstellung. Viele Muslime erkennen inzwischen, dass es in der Vergangenheit viel Ungerechtigkeit gegenüber Christen gab und bemühen sich um Versöhnung. Viele sind auch sehr fair und tolerant gegenüber Christen - aber nicht alle.

Was sind die Gründe dafür, dass Christen in Ägypten immer wieder Ablehnung oder gar Hass entgegenschlägt?

Samaan: Der Hass kommt häufig aus einem Superioritätsgefühl gegenüber anderen Religionen – dieses lässt sich aus einigen Koranversen ableiten, die den Islam als beste Gemeinschaft oder Religion bezeichnen. Zu einer Radikalisierung einiger ägyptischer Muslime kam es in den 1970er-Jahren. Damals gingen viele Ägypter als Gastarbeiter nach Saudi-Arabien. Von dort kamen sie häufig mit wahhabitischen Traditionen und radikalen Ansichten zurück. Aber die aktuelle Situation hat sich verbessert und es sind positive Entwicklungen zu erkennen, die Hoffnung machen.

Wie können die Religionen trotz Unterschieden zu einem friedlichen Miteinander finden? Was sind die Bedingungen für ein funktionierendes interreligiöses Zusammenleben?

Samaan: Es genügt nicht, dass ranghohe Religionsvertreter oder Politiker miteinander sprechen. Es muss sich auch in der Bevölkerung etwas verändern. Dafür beteilige ich mich an einem interreligiösen Projekt, in dem wir mit Vertretern der unterschiedlichen Konfessionen verschiedene Schulen in Ägypten besuchen, um für Toleranz und Gleichberechtigung zu werben. Es geht hauptsächlich darum, einen richtigen Umgang miteinander zu lernen. Man soll sich gegenseitig respektieren und schätzen. Werte zu vermitteln ist schwierig. Deshalb arbeiten wir auf drei Ebenen: Zuerst sprechen wir mit den Lehrern. Dann treffen wir uns mit den Eltern. Erst danach folgt die Arbeit mit den Schülern. So können wir am ehesten erreichen, dass wirklich ein Umdenken stattfindet, Vorurteile abgebaut und neue Werte vermittelt werden können. Bislang waren wir hauptsächlich an christlichen Schulen präsent. Wir würden aber auch gerne an den staatlichen Schulen für einen respektvollen Umgang zwischen den Religionen sensibilisieren. Bislang blieben uns die Türen dort verschlossen.

Sie sprachen von christlichen Schulen. Welchen Beitrag leisten Christen in der ägyptischen Gesellschaft?

Samaan: Der Beitrag der Christen in der ägyptischen Gesellschaft besteht im Wesentlichen aus drei Säulen:
Erstens der Erziehung: Wir betreiben in Ägypten 172 christliche Schulen. Deren Besuch steht allen Ägyptern offen. Nur 10% der Schüler sind christlich. Damit leben wir die Toleranz vor und geben Gelegenheit zum Dialog. Wegen der guten Ausbildung herrscht ein grosser Andrang auf unsere Schulen.
Die zweite Säule bilden die sozialen Aktivitäten: So werden Menschen mit geringem Einkommen unterstützt oder Mikrokredite vergeben. Kulturell strahlt die kirchliche Aktivität zum Beispiel durch Tagungen von Frieden und Gerechtigkeit in Bistümern auf die ägyptische Gesellschaft aus. Es wurde auch eine Konferenz gegen die Beschneidung von Frauen veranstaltet, die auch Muslime zum Umdenken über diese grausame Praktik bewegen konnte. Das vielfältige soziale Engagement der Kirche ermuntert auch andere zum Mitmachen.
Drittens leistet die Kirche wichtige Arbeit im Bereich Gesundheit: Es gibt viele Krankenhäuser mit kirchlicher Trägerschaft. Auch diese sind, wie die Schulen, für Nichtchristen offen. Sie werden auch von Muslimen sehr geschätzt, da sie besser sind als die staatlichen Krankenhäuser. Als Krankenhausseelsorger habe ich erlebt, wie viele Muslime ihre Vorurteile gegenüber dem Christentum abbauen konnten.

Was können die Christen in der Schweiz von den Ägyptischen Christen lernen?

Samaan: Alles was mit Toleranz und Respekt zusammenhängt. Die Seelsorger in Deutschland und der Schweiz haben zwar grossen Respekt vor dem Individuum, was dazu führt, dass sie die Menschen lieber in Ruhe lassen, weil sie denken es wird schon jeder selbst wissen, was für ihn am besten ist. Es ist aber wichtig auf die Menschen zuzugehen. Wenn in meiner Gemeinde jemand in der Sonntagsmesse fehlt, frage ich nach, ob es Probleme gibt, oder ob die Person krank ist. Das hält die Gesellschaft zusammen.

Wie können wir Christen in der Schweiz den Christen in Ägypten beistehen?

Samaan: Wir Christen in Ägypten sind dankbar für die moralische Unterstützung. Wir brauchen Stärkung und Ermutigung. Wir freuen uns auch, wenn es gelingt, unseren Politikern und menschliche Werte wie Respekt zu vermitteln. Es gibt aber auch verschiedene kirchliche Projekte, die finanzielle Unterstützung gebrauchen können. Hilfswerke wie «Kirche in Not (ACN)» leisten in unserem Land durch ihr Engagement einen wichtigen Beitrag. Wir freuen uns über das Gebet und die Verbundenheit unserer Brüder und Schwestern in der Schweiz.

Das Gespräch führte Tobias Höppel, «Kirche in Not (ACN)»

Pfarrer Kamil Samaan wurde am 30. Oktober 1952 in Assiut, Oberägypten, geboren. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1978 arbeitete er fünf Jahre lang in der Seelsorge in Assiut, bevor er 1983 nach Rom ging. Dort setzte er seine Studien am Päpstlichen Bibelinstitut fort, wo er 1990 im Fach "Altes Testament" promovierte. Seit seiner Rückkehr nach Ägypten unterrichtet er an verschiedenen Universitäten. Von 2010 bis 2017 leitete er das Kinderheim „Barmherziger Sameriter“ in Kairo und war als Krankenhausseelsorger tätig. Heute widmet er sich hauptsächlich seiner Leidenschaft, dem Unterrichten.  

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