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  • Betend vor der Kathedrale in Port-au-Prince, Haiti (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Katholische Jugendliche in einer Pfarrei in Haiti (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Der katholische Bischof von Hinche, Jean Désinord, Haiti (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)
  • Seminaristen in Haiti (Foto: «Kirche in Not (ACN)»)

Haiti: „Wer ist der Nächste?“

Nach der Entführung von Priestern und Ordensleuten auf Haiti am Sonntag ist die Angst katholischer Geistlicher gross, selbst zu Opfern zu werden. Das erklärte der katholische Bischof von Hinche, Jean Désinord, am Montag gegenüber dem Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)».

„Wir fragen uns: Wer ist der Nächste? Ich oder ein Mitbruder. Den Priestern und Ordensleuten droht wirklich eine Psychose. Wir leben in beständiger Furcht“, so der Bischof. Zwar seien bislang weder er noch bischöfliche Mitbrüder konkret bedroht worden. Doch hätten die Fälle entführter Geistlicher und Ordensleute zuletzt zugenommen. „Im vergangenen Jahr wurden ein Priester und eine Ordensfrau entführt. Beide kamen zum Glück wieder frei“, so der Bischof. „Es gibt leider keine schnelle Lösung des Problems der ausufernden Entführungen. Die Kirche kann nur an die politisch Verantwortlichen appellieren, für Recht und Ordnung zu sorgen.“

Kein simples Problem
Am wahrscheinlichsten sei, dass sich die aktuellen Entführungen im Rahmen des auf Haiti verbreiteten allgemeinen Banditentums bewegten. „Es lässt sich einfach leicht Geld damit machen“, erklärte der Bischof. Er schloss derweil neben kriminellen Motiven der Entführer politische Hintergründe nicht aus. So könne die Kirche wegen ihrer Kritik an den Zuständen ins Visier mancher Politiker geraten sein. „Die Kirche auf Haiti hat eine prophetische Mission. Sie muss die schrecklichen Zustände anklagen. Es ist daher möglich, dass manchen Politikern das ein Dorn im Auge ist. Wissen kann man es aber nicht“, so der Bischof. „Jeder weiss aber, dass sich unsere Politiker der kriminellen Banden bedienen, um bestimmte Gebiete zu kontrollieren. Die Grenzen zwischen organisierter Kriminalität und Politik sind fliessend.“

Dankbar über die Hilfe von Papst und Hilfswerken
Dankbar zeigte sich der Bischof für den Appell von Papst Franziskus am Ostersonntag. In seiner Osteransprache hatte der Papst an die prekäre Sicherheitslage auf der Insel erinnert und den Menschen seine Nähe ausgedrückt. „Das hat uns sehr berührt“, so Bischof Jean. „Wir waren ehrlich überrascht, dass der Heilige Vater während seiner Urbi et Orbi-Ansprache sich so viel Zeit für uns nahm und Haiti so ausführlich erwähnte. Es ermutigt uns zu wissen, dass der Papst unserem Volk so nahe ist.“ Bischof Jean hofft, dass der Appell des Papstes auf offene Ohren bei den politischen Verantwortlichen Haiti stösst. „Ignorieren können sie eine weltweit wahrgenommene Ansprache jedenfalls nicht“, sagte der Bischof.
Bischof Désinord appellierte zudem an die Wohltäter von «Kirche in Not (ACN)», die Menschen Haitis weiterhin zu begleiten. „Wir danken Ihnen für Ihre Nähe und Grosszügigkeit. Das Hilfswerk steht in diesem schwierigen Moment unserer Geschichte fest an unserer Seite. Bitte unterstützen Sie «Kirche in Not (ACN)» weiterhin. Zeigen Sie uns weiterhin auf diese Weise Ihre christliche Solidarität.“   Bischof Désinord bittet zudem um das Gebet für die Bischöfe Haitis, die derzeit in der Hauptstadt Port-au-Prince zu einem Treffen zusammenkommen. 

Erodierende Gesellschaft
Am Sonntag waren fünf Priester, zwei Ordensfrauen und drei weitere Personen in der Stadt Croix-des-Bouquets in der Nähe der Hauptstadt Port-au-Prince entführt worden. Auf Haiti, dem ärmsten Land des amerikanischen Kontinents, verschlechtert sich die Sicherheitslage seit Jahren. Bandenkriminalität und Entführungen sind an der Tagesordnung. Hinzu kommen schwere politische Spannungen zwischen Regierung und Opposition. Die katholischen Bischöfe des Landes haben im Februar vor einer „sozialen Explosion“ gewarnt.
«Kirche in Not (ACN)» unterstützt die bedrängte Kirche Haitis seit Jahren in ihrer pastoralen und humanitären Sendung. Allein 2020 wurden mehr als 30 Projekte mit mehr als CHF 600 000 gefördert. Die Spender von «Kirche in Not (ACN)» ermöglichten dadurch den Kauf und Unterhalt von Transportmitteln, COVID-Nothilfe durch Messstipendien für Priester und Ausbildungsprogramme für Laien, Katecheten und Seminaristen.