Skip to navigation (Press Enter) Skip to main content (Press Enter)
  • Bischof Luiz Fernando Lisboa segnet Gläubige bei einem Pastoralbesuch (Foto:Leandro Martins).
  • Luiz Fernando Lisboa (Bischof von Pemba/Mosambik)
  • Geplünderte und ausgebrannte Herz-Jesu-Kirch im Muabula, Mosambik, am Karfreitag 2020

Mosambik: Massaker an Jugendlichen und Angriffe auf Kirchen - Tragödie abseits der Medien

„Es ist wichtig, dass bekannt wird, was hier vor sich geht: Am 7. April wurden 52 junge Menschen niedergemetzelt, weil sie sich nicht den Aufständischen anschliessen wollten.“ Papst Franziskus ist eine der wenigen internationalen Persönlichkeiten, die sich öffentlich zur terroristischen Gewalt in der Provinz Cabo Delgado im Norden Mosambiks geäussert haben. Eine Tragödie von der viele gar nichts wissen. Maria Lozano vom Internationalen Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)» sprach mit dem katholischen Bischof Luiz Fernando Lisboa von der Diözese Pemba, die in Cabo Delgado liegt, über die Lage in seiner Diözese.

Vor ein paar Wochen haben Sie über Angriffe auf die Stadt Mocímboa da Praia im Norden Ihrer Diözese berichtet. Wie ist die Lage dort heute?
In den letzten Monaten wurden nicht nur Mocímboa da Praia, sondern auch Quissanga und Muidumbe angegriffen. Es sind also in drei wichtigen Ortschaften Anschläge verübt worden. In Mocímboa da Praia ist die Lage zurzeit unter Kontrolle, aber leider hat es viele Plünderungen gegeben. Während der Angriffe sind viele Menschen aus der Stadt geflohen und haben im Wald Zuflucht gesucht, um dort zu übernachten. Einige Kriminelle haben dies ausgenutzt, um die Häuser auszurauben. Es wurden Lebensmittel, Kleidung und andere Habseligkeiten gestohlen. Letzte Woche [am 20. April] wurde einer dieser Diebe gefasst und von der Bevölkerung gelyncht. Leider führt dieses ganze Klima des Terrors am Ende zu Unsicherheit und zunehmender Kriminalität. Da die Bevölkerung erschöpft und sehr angespannt ist, passiert schliesslich so was.

Sie haben Muidumbe erwähnt.In diesem Bezirk wurde der jüngste Anschlag verübt: Am Karfreitag, den 10. April, wurde die katholische Mission im Dorf Muambula angegriffen. Was ist im Zusammenhang mit dem Anschlag bekannt?
In der Karwoche wurden im Bezirk Muidumbe an zwei Tagen sieben Ortschaften angegriffen, darunter Muambula, wo sich in Nangololo die Mission des Heiligsten Herzens Jesu befindet. Die Angreifer überfielen die Kirche und steckten mehrere Kirchenbänke sowie das aus schwarzem Holz gefertigte Bildnis der Muttergottes in Brand. Sie zerstörten auch ein Bild des Heiligsten Herzens Jesu, des Schutzpatrons der Pfarrei. Glücklicherweise konnten sie nicht die ganze Kirche in Brand stecken, sondern nur die Kirchenbänke. 

War dies der erste Anschlag auf eine Kirche?
Nein, es war nicht der erste Anschlag auf eine Kirche. Fünf oder sechs Kapellen wurden bereits angegriffen und niedergebrannt, doch auch Moscheen waren Ziel von Brandanschlägen.  Allerdings sind in letzter Zeit offensichtlich gerade die christlichen Kirchen das Ziel der Anschläge. Tragisch ist es für uns, dass die Mission in Nangololo fast hundert Jahre alt und die zweite Mission der Diözese ist. Dass diese symbolisch so wichtige Mission angegriffen wurde, macht uns sehr traurig.

Stimmt es, dass es in einem der Dörfer des Distrikts Muidumbe zu einem Massaker gekommen ist?
Ja, am 7. April im Xitaxi. Zu unserer grossen Trauer wurden 52 junge Menschen niedergemetzelt, die sich weigerten, sich den Aufständischen anzuschliessen. Für uns sind sie wahre Märtyrer des Friedens, weil sie es abgelehnt haben, sich an der Gewalt, am Krieg zu beteiligen und deshalb ihr Leben verloren haben. 

Von wie vielen Anschlägen haben Sie seit Anfang 2020 erfahren?
Die Zahl der Anschläge kenne ich nicht genau. Wie gesagt, allein bei diesem letzten Anschlag wurden sieben Dörfer überfallen. Ich habe heute einen Bericht gelesen, in dem von 26 Anschlägen in diesem Jahr die Rede ist. Aber um ehrlich zu sein: Ich denke, dass es noch mehr sind.

Die Terroranschläge haben seit 2017 zugenommen. Mosambik ist von einem sicheren Ort zu einem Land geworden, das auf den Warnlisten der Botschaften steht ... Warum ist Mosambik zum Schauplatz des islamischen Terrors geworden, was genau ist das Ziel der Angreifer?
Ich denke, diese Veränderung in der internationalen Wahrnehmung ist auf den Krieg in Cabo Delgado zurückzuführen. Hier im Norden und auch in der Mitte des Landes hat es Anschläge auf öffentliche Verkehrsmittel gegeben, was zu einer deutlichen Verunsicherung im Land führt. Ich würde jedoch nicht behaupten, dass Mosambik ein Schauplatz des islamischen Terrors ist. Die jüngsten Anschläge sind vermeintlich vom sogenannten IS verübt worden, aber es bestehen weiterhin Zweifel daran. Einige meinen, dass eine lokale Gruppe dafür verantwortlich ist, die klein angefangen hat und den Namen des IS benutzt. Andere wiederum sagen, dass es in der Tat der IS war. Wir wissen es einfach nicht. Wir wissen auch nicht, was hinter all dem steckt, glauben aber, dass es um natürliche Ressourcen geht. Es stehen viele Interessen auf dem Spiel. Diejenigen, die dies alles finanzieren, haben aufgrund der Armut und der von der Jugendarbeitslosigkeit verursachten Chancenlosigkeit einen geeigneten Nährboden gefunden. Cabo Delgado ist schon immer eine sehr arme Provinz gewesen, von allen verlassen, auch von den Behörden. Was wir sehen, ist das Ergebnis all dieser Elemente. 

Aber sind die Beteiligten an diesen Terrorakten überall dieselben? Woher kommen sie?
Ich sagte bereits vorhin, dass wir nicht genau wissen, wer die Täter sind. Wir haben bemerkt, dass sie in der Vergangenheit nur einen Anschlag an je einem Ort verübt haben. In letzter Zeit sind sie dazu übergegangen, mehrere Angriffe an mindestens zwei Orten gleichzeitig durchzuführen ... Wir wissen auch nicht, woher sie kommen, aber viele Berichte besagen, dass ein Teil von ihnen Mosambikaner sind und der Rest aus Tansania und anderen Ländern komme ...

Aber wie gehen sie vor? Steht ein Gebiet unter terroristischer Kontrolle, oder führen sie Razzien durch und verlassen das Gebiet dann wieder?
Ich weiss nicht, ob man sagen kann, dass ein besonderes Gebiet unter der Kontrolle der Terroristen steht. Allerdings gibt es eine Region, in der sie verstärkt operieren. In den dort liegenden Dörfern mussten die Menschen ihre Häuser verlassen. Sie können nicht zurückkehren, weil sich die Terroristen von dort aus an andere Orte begeben, und dann wieder dorthin zurückkehren.

Haben die Anschläge eine religiöse Komponente?
Das ist eine schwierige Frage. Von Anfang an haben sich die grossen muslimischen Führer in Cabo Delgado und im ganzen Land von den Anschlägen distanziert. Sie haben erklärt, mit all dem nichts zu tun zu haben. Vor einigen Tagen haben sie einen zweiten Brief geschrieben, in dem sie sich erneut von diesen Gruppen distanzierten. Sie betonen in ihren Erklärungen, dass der Islam eine Religion des Friedens und der Verständigung zwischen den Völkern, zwischen den Religionen sei. Sie wollen keine Gewalt. Es kann nicht behauptet werden, dass diese Angriffe von religiösen Gruppen durchgeführt worden seien. Sowohl in Cabo Delgado als auch im übrigen Mosambik haben wir nie Probleme zwischen den Religionen oder zwischen ihren Führern gehabt. Wir haben viele gemeinsame Aktivitäten unternommen: Gebete, Erklärungen und Märsche für den Frieden.

Sind die Ordensschwestern und die Priester in der Region in Gefahr?
Wir haben Ordensmänner und -frauen in der ganzen Region, in der die Anschläge stattfinden. Vertreter der Öffentlichkeit, etwa Lehrer und Gesundheitspersonal, haben die Bezirke verlassen, als öffentliche Gebäude angegriffen wurden. Ein grosser Teil der Bevölkerung ist aus Angst weggezogen. Mehrere ausländische Nichtregierungsorganisationen, die in dem Gebiet tätig waren, haben es ebenfalls verlassen, weil sie bedroht wurden. Zuletzt habe ich die Missionare darum gebeten zu gehen, weil ich als Diözesanbischof für sie verantwortlich bin und die Gefahr neuer Anschläge bestand. Sie waren als Einzige noch geblieben. Es kam zu Anschlägen auf Kirchen, so dass die Gewalt eine religiöse Wende nahm. Ich muss die Ordensleute schützen, auch wenn sie so bald wie möglich zurückkehren wollen, um für das Volk da zu sein.

Was unternimmt die Zentralregierung, um diese Situation zu entschärfen?
Die Zentralregierung hat verstärkt Verteidigungskräfte entsandt. Sie tut ihren Teil dazu. Ich weiss nicht, ob mehr getan werden könnte, aber diese Kräfte sind für die Verteidigung da. Allerdings gibt es unter den Verteidigungskräften viele junge Leute, die dort aus reiner Pflicht sind. Wenn es dann zu einem Angriff kommt, desertieren viele; sie fliehen zusammen mit der Bevölkerung in den Wald. Sie sind auch nur schlecht auf den Kampf vorbereitet und kaum in der Lage, mit dieser Situation umzugehen. Ich empfinde schreckliches Mitleid für die jungen Menschen, die kämpfen müssen, denn viele haben bereits ihr Leben verloren.

In seiner Osterbotschaft hat der Heilige Vater über Mosambik gesprochen. Er ist eine der wenigen Stimmen, die das Schweigen brechen ...
Ja, am Ostersonntag hat der Heilige Vater nach der Eucharistiefeier und dem Segen Urbi et Orbi über die Situation, die die Welt durchmacht, über die Pandemie und die verschiedenen Konflikte in der Welt gesprochen. Es war für uns sehr wichtig, dass er die humanitäre Krise in Cabo Delgado angesprochen hat, weil es hier eine Art „Verschwiegenheitsgesetz“ gibt.

Was meinen Sie mit „Verschwiegenheitsgesetz“?
Die Lage ist sehr ernst, weil nicht frei gesprochen werden kann. Einige Journalisten wurden im Land verhaftet; vielen wurden die Kameras konfisziert. Der Journalist Ibraimo Abu Mbaruco von Palmas Community Radio wird seit dem 7. April vermisst. Es ist wichtig, dass bekannt wird, was vor sich geht, und dass internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Europäische Union oder die Afrikanische Union tätig werden. Die Menschen hier haben sehr viel gelitten; es gibt Hunderte von Toten, Tausende von Menschen mussten ihre Heimat verlassen. In unserer Provinz haben wir mehr als zweihunderttausend Vertriebene. Es ist eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit. Die Menschen hier haben sehr wenig, und das wenige, was sie haben, geht durch diesen Krieg verloren. Ich bitte um Hilfe und Solidarität für mein Volk, damit es wieder in Frieden leben kann, es ist das, was es will und was es verdient.