Zeitungen wurden aus Mangel an Zeitungspapier und die staatlichen Medien schränkten aufgrund fehlender Finanzen ihre Programme ein. Auf Social Media-Kanäle auszuweichen, um an Informationen zu gelangen, ist nicht für alle Venezolaner möglich. Entweder fehlen ihnen dafür Computer oder moderne Smartphones, oder das äusserst langsame Internet funktioniert nicht. Unterschiedliche Quellen sagen, dass die Erschwernis der Kommunikation via Social Media von der Regierung gewollt ist. Kirchliche Projekte für die Medienarbeit – so auch in Valencia im Bundesstaat Carobobo – versuchen diesen Schwierigkeiten entgegenzuwirken.
Valencia – die Stadt Draculas
Die Stadt Valencia, mit rund 1.8 Millionen Einwohnern die drittgrösste Stadt des Landes, erlebte im Verlauf des 20. Jahrhunderts einen rasanten Wirtschaftsaufschwung. Infolge des Erdölbooms zogen zunächst viele Europäer nach Valencia, später waren es dann vor allem Menschen aus Lateinamerika. Aber die gegenwärtige Krise Venezuelas machte auch vor Valencia nicht halt. Viele Gebäude in der Innenstadt sind verlassen und vom einstigen Reichtum ist nicht mehr allzu viel sichtbar. Beim Gang durch die Stadt stösst man immer wieder auf das Zeichen Draculas, das Symbol des Gouverneurs des Bundesstaates Carobobo, Rafael Lacava, der dem Partido Socialista Unido de Venezuela (PSUV) angehört. Der Gouverneur ist für seine Exzentrik bekannt, aber dennoch mutet es sonderbar an, dass er diverse staatliche Betriebe umbenennen liess: Die Gasgesellschaft in Gas Drácula, den öffentlichen Verkehr in TransDrácula und den Platz vor der Kathedrale in Valencia in die Plaza Transilvania. Das Verhalten von Lacava ist allerdings auch irgendwie typisch für den Zustand des Landes. Man hat das Gefühl, dass es den Regierenden mehr um sich selbst als um die Bewohner geht. Der Erzbischof von Valencia, Reinaldo Del Prette, spricht mit Schalk in den Augen, wenn das Thema auf den Gouverneur fällt. Natürlich ist Lacava vor allem wegen seiner Dracula-Affinität im Gespräch, doch für den Erzbischof ist wichtig, dass der Gouverneur die katholische Kirche respektiert und ihr gegenüber wohl gesinnt ist. So konnte die Diözese in den letzten Jahren auch das Projekt des katholischen Radios „La Voz de Dios“ ohne Schwierigkeiten vorantreiben. Diese gute Zusammenarbeit zwischen staatlichen Stellen und der Kirche ist keine Selbstverständlichkeit im Land.
Das Radio „La Voz de Dios“
Das im Jahr 2019 ins Leben gerufene Radio hat zum Ziel, die Botschaft des Evangeliums im Bundesstaat Carobobo zu verkünden. Für Erzbischof Del Prette ist diese Form der Evangelisierung zentral: „Die Verkündigung und die Stärkung des Glaubens durch dieses Radio ist mir ein sehr wichtiges Anliegen für meine Diözese. So gelingt es uns, viele Menschen zu erreichen, die auch in entlegenen Gebieten wohnhaft sind. Dass wir dabei auf die Unterstützung des Hilfswerks «Kirche in Not (ACN)»zählen dürfen, freut mich ganz besonders.“
Für das Radioprogramm ist der Pfarrer der Pfarrei San Francisco, Miguel Romero, verantwortlich und kann sich dabei auf eine junge Equipe stützen. Mit wenig Technik, aber modernsten Mitteln gestalten die jungen dieses Radio und zeigen viel Herzblut und Engagement bei ihrem Einsatz im Studio. In einem Land, das täglich mit Zerfall und Niedergang konfrontiert ist, macht dieses Radio den Radiomachern, aber auch den Zuhörern Mut. Da das Radio sich insbesondere religiösen Schwerpunkten widmet, ist es auch nicht von der herrschenden Pressezensur betroffen.
*Der Autor dieses Texts, Ivo Schürmann, bereiste Venezuela Ende 2019 anlässlich einer Projektreise von «Kirche in Not (ACN)»und konnte sich einen Überblick über die Situation vor Ort verschaffen und wie die Kirche den Menschen beisteht. Im Jahr 2018 stellte das Hilfswerk für Projekte in Venezuela über CHF 900‘000 bereit. Aufgrund der schwierigen Situation wird der Beitrag in Zukunft höher sein.