Suppenküche für Arme und Obdachlose im Albertinerkloster (© ACN)

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Die Familie ist eines der grössten Opfer des Krieges

Zehn Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine ruft «Kirche in Not (ACN)» zur Unterstützung auf.

Zehn Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine wird «Kirche in Not (ACN)» in dieser Fastenzeit  auf das Leid der Menschen in der Ukraine aufmerksam machen und berichten, wie die Kirche ihnen dank der Wohltäter von «Kirche in Not (ACN)» beisteht. Gottes heilende Liebe den Menschen zu bringen. Bei einer Konferenz von «Kirche in Not (ACN)» zum Jahrestag des Kriegsbeginns und zum Auftakt der Fastenzeit erläuterte Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, die Zahl der durch den Krieg in der Ukraine getöteten, verstümmelten und traumatisierten Menschen steige weiter an und die langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft würden immer deutlicher. „Die Zukunft der Ukraine und der Kirche hängt davon ab, wie gut wir darauf reagieren können, das Kriegstrauma zu überwinden; dieses Trauma hat bereits das Herz der ukrainischen Gesellschaft getroffen: die Familie“, so das Oberhaupt der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche (UGKK).

Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, Oberhaupt der UGKK (© ACN)

Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk, Oberhaupt der UGKK (© ACN)

„Heute haben wir es mit neuen Familienkonstellationen zu tun: den Familien der Getöteten, den Familien der Schwerverletzten, aber auch den Familien der Vermissten. Nach Angaben der Ukraine wurden 20 000 Kinder von Russen verschleppt, wobei Russland sogar von 800 000 deportierten Kindern spricht. Wir haben auch 35 000 vermisste Soldaten. Das Leben ihrer Familien ist eine ständige Qual. Eine Frau, eine 23-jährige Mutter von zwei Kindern, fragte mich: ‚Bin ich Witwe? Soll ich für meinen Mann beten wie für einen Lebenden oder für einen Toten?‘ Jedes Mal, wenn wir einen Gefangenenaustausch haben und ihre Ehemänner nicht zurückkehren, wird ihr Schmerz noch grösser. Für jede Familie ist das eine andauernde physische und psychische Folter“, sagte er. Für diejenigen, die zurückkehren, bringt die Befreiung aus russischer Gefangenschaft auch Herausforderungen mit sich, so der Apostolische Nuntius in der Ukraine, Erzbischof Visvaldas Kulbokas. „Wenn wir mit Menschen sprechen, die in die Ukraine zurückkehren, und sie die Bedingungen beschreiben, unter denen sie gefangen waren, dann sind das schreckliche Zustände, vor allem für die Soldaten. Einige von ihnen sind nicht in der Lage zu sprechen, so traumatisiert sind sie.“

Aber auch viele andere Familien haben nach Aussage von Grosserzbischof Schewtschuk zu leiden: „Heute lebt die Mehrheit der Familien in Trennung, weil die Männer in der Armee sind und die Frauen mit ihren Kindern die Stadt oder sogar das Land verlassen haben.“ Die Statistiken, die sich aus dieser Situation ergeben, sind erschütternd: „Im Jahr 2023 hatten wir 170 000 Eheschliessungen, aber es gab 120 000 Scheidungen. Das sind die höchsten Scheidungszahlen in der Geschichte der unabhängigen Ukraine. Diesen Menschen zu helfen, ist eine grosse Herausforderung für unsere Kirche. Sehr oft kann man nichts anderes tun, als präsent zu sein, mit ihnen zu weinen, jener Frau oder jenem Soldaten, der Schmerzen hat, die Hand zu halten. Das ist die grösste pastorale Herausforderung für mich und für die Kirche heute“, sagte das Oberhaupt der grössten Kirche des östlichen Ritus in Gemeinschaft mit Rom.

Ein vergessener Konflikt?

Zu Beginn der Konferenz warnte Regina Lynch, geschäftsführende Präsidentin von «Kirche in Not (ACN)», dass „wir bei so vielen Konflikten und Unruhen auf der ganzen Welt in realer Gefahr sind, dass die Ukraine in Vergessenheit geraten könnte, während sich die globale Aufmerksamkeit auf die nächste Krise richtet. Wir bei «Kirche in Not (ACN)» sind entschlossen, dass dies nicht geschieht, und das ist einer der Gründe, warum wir in der Fastenzeit zum Anlass nehmen, um auf die Situation in der Ukraine aufmerksam zu machen.“

„Die Ukraine erlebt gerade ihren eigenen Kreuzweg“, so Lynch. „Ziel der Kampagne ist es, während dieses Konflikts dringend benötigte Unterstützung zu leisten, insbesondere für Seminaristen, Priester und Ordensschwestern, die sich um die Versorgung der Vertriebenen und Verarmten kümmern sowie bei der Traumaheilung der Soldaten und ihrer Familien mitwirken. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Jugend- und Familienarbeit. Wir fordern alle unsere Freunde und Wohltäter auf, unsere Brüder und Schwestern in der Ukraine nicht zu vergessen und während der Fastenzeit für sie zu beten.“ Auch Erzbischof Visvaldas Kulbokas sprach über die Gefahr, die Ukraine zu vergessen: „Für Menschen im Ausland ist es schwer vorstellbar, was hier vor sich geht. Manche sind versucht zu glauben, dass alles vorbei ist, aber wir verlieren jeden Tag Hunderte von Menschenleben, sowohl Soldaten als auch Zivilisten.“

Für diejenigen, die in der Nähe der Front oder in der besetzten Ukraine leben, ist es unmöglich, den Krieg zu vergessen. „Die Situation an der Front ist schlimmer als das Fegefeuer; es gibt viele Menschen, die wir nicht erreichen können, nicht einmal, um Essen oder Wasser zu bringen", sagte der Nuntius. In den besetzten Gebieten sei die UGKK in den Untergrund gedrängt worden, erklärte Grosserzbischof Schewtschuk. „In diesem Teil der Ukraine gibt es keine katholischen Priester mehr. Wir erhielten die Information, dass unsere Leute in Donezk jeden Sonntag in die Kirche gingen, um zu beten, auch ohne den Priester, aber die Kirche wurde beschlagnahmt und die Türen geschlossen. In den besetzten Gebieten um Saporischschja haben die russischen Behörden ein Sonderdekret erlassen, das die Existenz der UGKK verbietet, und haben unser Eigentum beschlagnahmt. Deshalb beten die Menschen in ihren Häusern, und wenn es ihnen möglich ist, feiern sie unsere Gottesdienste online mit.“ Eine eindringliche Erinnerung an die Gefahr, der Katholiken in der besetzten Ukraine ausgesetzt sind, ist die anhaltende Inhaftierung der Patres Ivan Levitskyi und Bohdan Heleta, die im November 2022 verhaftet worden waren. „Leben sie noch oder sind sie tot? Seit ihrer Verhaftung haben wir keine Nachrichten mehr erhalten“, so Grosserzbischof Schewtschuk.
 

Regina Lynch, Präsidentin von «Kirche in Not (ACN)» (© ACN)

Regina Lynch, Präsidentin von «Kirche in Not (ACN)» (© ACN)

„Danke «Kirche in Not (ACN)», dass Sie an unserer Seite stehen“

Angesichts dieser enormen Herausforderungen tut die katholische Kirche in der Ukraine weiterhin, was sie kann. Die UGKK hat insbesondere in Programme zur psychologischen Unterstützung traumatisierter Menschen investiert und weist auf die Notwendigkeit hin, rund sieben Millionen Ukrainern zu helfen, die von Lebensmittelknappheit betroffen sind, insbesondere in einem Umkreis von 50 km von der Frontlinie. Bisher, so Erzbischof Schewtschuk, habe die koordinierte internationale Reaktion ein Wunder ermöglicht: „Im vergangenen Jahr konnten wir der grössten humanitären Krise seit dem Zweiten Weltkrieg standhalten.“ Nun aber „lässt die erste Euphorie der humanitären Hilfe für die Ukraine nach, so dass wir unsere eigene Logistik entwickeln müssen, um den Bedürftigen zu helfen.“

«Kirche in Not (ACN)» war massgeblich an diesen Bemühungen beteiligt, und in den vergangenen zwei Jahren war die Ukraine der grösste Hilfsempfänger der Organisation. Das internationale Hilfswerk hat seit dem 24. Februar 2022 über 600 Projekte unterstützt, darunter die Finanzierung des Baus von 11 Zentren zur psychologischen und spirituellen Betreuung sowie die Finanzierung von Sommerlagern für die von den Kämpfen am stärksten betroffenen Kinder, die Anschaffung von Fahrzeugen für Priester und Ordensleute, damit sie ihren pastoralen Dienst ausüben können, und sogar die Bereitstellung von Heizungsanlagen und Öfen für kirchliche Einrichtungen, damit diese die strengen Winter überstehen können. „Vielen Dank an «Kirche in Not (ACN)» für Ihren Mut, für Ihre Besuche in den letzten Jahren, dafür, dass Sie uns in diesen schmerzlichen Umständen begleitet haben. Danke, dass Sie in dieser schweren Zeit bei uns sind“, so Grosserzbischof Swjatoslaw Schewtschuk abschliessend.

Besuch des Klosters der Albertinerinnen in Lviv. (Foto © ACN)

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