Sommerlager für hebräisch-sprechende Christen (© ACN)
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Migranten machen einen bedeutenden Teil der christlichen Gemeinschaft im Heiligen Land aus. Dort kämpft die Kirche an vorderster Front für ihre Rechte.
Christen leben seit den frühesten Zeiten der Kirche im Heiligen Land. Die traditionellen christlichen Gemeinschaften in Palästina haben heute aus verschiedenen Gründen mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Ein grosser Teil der in Israel lebenden Christen sind jedoch Migranten und Asylbewerber, und viele von ihnen haben ein noch schwierigeres Leben als ihre palästinensischen Glaubensgeschwister.
Offizielle Zahlen sind kaum verfügbar, aber mehreren Quellen aus dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem (LPJ) zufolge betreut das Vikariat für Migranten und Asylbewerber (VMAS) vermutlich mehr als 85 000 Menschen. Das VMAS wurde im November 2021 offiziell unter dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem eingerichtet, um bei der Seelsorge von Christen in dieser Situation zu helfen. „Es ist wirklich sehr schwierig, Schätzungen vorzunehmen, und es ist wahrscheinlich, dass die Gemeinschaft viel grösser ist als angenommen, aber es ist eine sehr grosse Anzahl“, sagt Schwester Gabriele Penka, die Verwalterin des Vikariats, während eines Treffens mit einer Delegation von «Kirche in Not (ACN)» am Sitz des LPJ.
Die grosse Mehrheit dieser Christen sind arme Migranten, die nach Israel kommen, um Arbeit zu finden. Oft leben sie unter sehr schwierigen Bedingungen, da sie schwierige Arbeiten verrichten, die niemand machen will. Manche von ihnen sind legale Arbeiter, doch viele sind nicht erfasst. Eine grosse Zahl mag legal nach Israel eingereist sein, doch in der Zwischenzeit sind ihre Visa abgelaufen und sie sind im Land geblieben.
„Die Menschen, die legal im Land sind, sind bis zu einem gewissen Grad gesetzlich geschützt, doch die Illegalen haben ein extrem schwieriges Leben“, erklärt Sami el-Yousef, der Generaldirektor des Lateinischen Patriarchats. Es sei ihnen beispielsweise „verwehrt, ihre Kinder kostenlos in den Kindergarten zu schicken. Doch sie müssen arbeiten. Wenn sie für die Kinderbetreuung zahlen müssen, verschlingt das den Grossteil ihres Einkommens“.
In vielen Fällen ist in der Arbeitsgenehmigung festgelegt, dass die Migranten keine Kinder bekommen und nicht heiraten dürfen, darum gelten sie, falls sie es doch tun, sofort als illegal, und ihre Kinder haben kaum Rechte.
Die Situation der Asylbewerber kann sogar noch schwieriger sein. „Israel sagt ihnen, dass sie arbeiten und einen Gehaltszettel vorweisen müssen, um ein Visum zu erhalten, doch gleichzeitig gibt es keine offizielle Erklärung von Seiten Israels, dass sie ein Recht zu arbeiten hätten. Es wird ihnen gesagt, dass sie einen Gehaltszettel brauchen, doch ohne Ausweispapiere ist es fast unmöglich, einen solchen zu erhalten“, sagt Schwester Gabriele. „Wir sind zu allen zuständigen Ministerien gegangen, doch niemand konnte uns eine direkte Antwort auf die Frage geben, welchen rechtlichen Status diese Menschen besitzen.“
Ein Palästinenser wird aufgefordert, seine Papiere zu zeigen (© Ismael Martínez Sánchez / ACN)
Am schlimmsten ist für viele dieser Christen die Tatsache, dass sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt von der Regierung in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. „Wenn Israel das so entscheidet, könnten wir von einem Moment zum nächsten 20 000 von ihnen verlieren“, sagt Sami el-Yousef und erinnert sich an ein Ereignis vor ein paar Jahren als die Regierung ein Abkommen mit Äthiopien schloss, mehrere tausend Asylbewerber abzuschieben. Dennoch glaubt Schwester Gabriele, dass im Moment nur ein geringes Risiko für Massenabschiebungen besteht. „Israel profitiert von dieser Gemeinschaft, und so drücken sie ein Auge zu. Sie lassen sie permanent in einem Schwebezustand.“
Kurzfristig ist vielmehr damit zu rechnen, dass ihre Zahl sogar erheblich steigen wird. Seit den Terrorangriffen vom 7. Oktober, die den aktuellen Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gaza-Streifen ausgelöst haben, verwehrt Israel der grossen Mehrheit von palästinensischen Arbeitern den Zugang zu israelischem Gebiet, um dort ihrer Arbeit nachzugehen. Geplant ist, diese durch Migranten, speziell aus Indien, zu ersetzen. Laut Schwester Gabriele „gibt es neue Abkommen über Arbeiter für den Bausektor, die ins Land kommen sollen. Wir haben unsere indischen Priester gebeten, sich auf weitere 40 000 indische Christen vorzubereiten, doch sie sagen, es würden vermutlich weniger sein, denn diese neue Welle wird wahrscheinlich hauptsächlich aus Hindus bestehen, da sie aus Bundesstaaten mit weniger Christen kommen.“
Das Lateinische Patriarchat tut, was es kann, um die Lage dieser Christen zu verbessern, indem es, wo notwendig, humanitäre Hilfe leistet und Kindergärten für diejenigen betreibt, deren Kinder keinen Anspruch auf kostenlose Vorschulerziehung durch den israelischen Staat haben. „Wir unterhalten einige Betreuungsprogramme. Wenn Migranten Kinder haben und keinen Ort, an dem sie die Kinder lassen können, dann können sie nicht mehr arbeiten, und wir haben einige sehr dramatische Situationen gesehen. In Jerusalem bieten wir ein Nachmittagsprogramm an, in das Jugendliche nach der Schule gehen können. Wir haben israelische Freiwillige, die bei den Hausaufgaben helfen und so weiter, und wir unterhalten ebenfalls ein Heim für bis zu zehn oder elf Jugendliche in Jerusalem, die aus Familien ohne stabiles Zuhause kommen. Sie bleiben unter der Woche bei uns und kehren dann zu ihren Familien zurück“, sagt Schwester Gabriele.
Das Patriarchat hat auch dabei geholfen, Priester zu finden, die die Sakramente für die Gemeinden in ihrer jeweiligen Muttersprache feiern, auch wenn es in den meisten Fällen an den Orten, an denen diese Menschen leben, keine Kirchen gibt.
„Ihre Anwesenheit ist unbeständig, aber sie sind dennoch da. Wir haben 60 Gemeinden im ganzen Land verteilt, an Orten, wo es keine traditionelle christliche Präsenz gibt. Die Menschen müssen sich normalerweise freitags oder samstags – dem Wochenende in Israel – treffen, wenn es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt. Der grösste Teil des Geldes, das wir dem VMAS zur Verfügung stellen, fliesst in die Anmietung von Räumen, in denen sich Menschen treffen und beten können, und das ist ein enormer Geldbetrag. Wir suchen nach Kaufoptionen, doch die Preise sind unerschwinglich“, sagt der Lateinische Patriarch Pierbattista Kardinal Pizzaballa während eines Treffens mit der «Kirche in Not (ACN)»-Delegation.
Manchmal mieten die Migranten keine Wohnungen, sondern Sporthallen, doch häufig feiern sie die Messe in ihren jeweiligen Wohnräumen. „Wir sehen beispielsweise in manchen Fällen, dass die Menschen aus Sri Lanka die heilige Messe in der Wohnung eines buddhistischen Landsmannes feiern, weil es die grösste ist“, erklärt Schwester Gabriele.
Die Migranten und Asylbewerber kommen nach Israel in der Hoffnung auf ein besseres Leben, doch die unbeabsichtigte Folge ihrer Anwesenheit ist, dass sie zu einem Zeugnis des Christentums für die örtliche jüdische Gemeinde werden, erklärt George Akroush, Direktor des Büros für Projektentwicklung des LPJ.
„Viele der Migranten, vor allem junge Frauen, arbeiten als Altenpflegerinnen. Durch ihre Präsenz in den Häusern einheimischer Familien zeigen sie der jüdischen Gemeinschaft eine andere Sicht auf die katholische Kirche, und damit bauen sie Brücken“, sagt er.
Dennoch ist es nicht nur die jüdische Gemeinschaft, die von diesem Vorbild profitiert. „Viele der einheimischen Christen, auch jene, die es nicht nötig haben, erwarten von der Kirche, dass sie ihnen Hilfe zukommen lässt. Sie denken, die Kirche sei wohlhabend. Doch bei den Migranten im VMAS ist das Gegenteil der Fall: Sie haben nichts, und unterstützen dennoch die Kirche und stärken durch ihr Beispiel auch den Glauben der einheimischen Christen. Wenn wir diese Migranten sehen, werden wir ermutigt. Wir sehen, dass wir nicht allein sind, dass diese Menschen hierherkommen und in einer viel schwierigeren Lage sind als wir“, sagt George Akroush.
Momentan wirken mehr als 64 Priester und Ordensschwestern im VMAS, die sich um die pastoralen Bedürfnisse der Mitglieder kümmern und vom LPJ finanziell unterstützt werden. Das Patriarchat stellt auch Gelder für Sommercamps für die Kinder zur Verfügung ebenso wie für Ehebegleitung, Bibelgruppen und Liturgiefeiern. Weitere grosse Ausgaben stellen die Krankenversicherung für Priester und Schwestern und die Kindergärten dar.
«Kirche in Not (ACN)» unterstützt das Vikariat für Migranten und Asylbewerber im Heiligen Land durch Projekte in Zusammenarbeit mit dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem, einschliesslich der Finanzierung von Sommercamps für die Kinder dieser Gemeinden.
George Akroush (© ACN)
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