Msgr. Obiora Ike aus Nigeria vor dem Bundeshaus in Bern. (Foto: Jacques Berset/ACN)
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Der nigerianische Msgr. Obiora Ike, röm.-kath. Geistlicher und Präsident des Club of Rome Nigeria, weilt vom 22.-30. März 2025 in der Schweiz.
Text: Jacques Berset
Obiora Ike, Professor für Ethik und interkulturelle Studien an der Godfrey Okoye Universität in Enugu im ehemaligen Biafra im Südosten Nigerias, sagt: „Jeden Tag auf der Strasse könnte ich entführt werden, aber bisher hat Gott auf mich aufgepasst. In den letzten Monaten wurden etwa 125 Priester, Ordensleute, Nonnen und Seminaristen von Terroristen und Banditen entführt. Mehr als 5 000 weitere - Beamte, Geschäftsleute, Politiker, einfache Gemeindemitglieder und sogar Schulkinder - wurden im selben Zeitraum Opfer dieser „Entführungsindustrie“.
Die Predigt beginnt etwa ab Minute 30 des Videos.
Msgr. Obiora Ike engagiert sich in zahlreichen von ihm gegründeten Vereinen und Organisationen für die Christen in seinem Land und ist eine angesehene Persönlichkeit: «Sollte ich entführt werden, würde ich in den Medien erscheinen, weil ich bekannt bin, aber die meisten Entführungen sind kein Thema. Auch Beamte sind in diesem 'Geschäft' tätig, Politiker, Regierungsmitglieder, Polizisten, Mitglieder des Geheimdienstes.»
Von den rund 240 Millionen Einwohnern in diesem Land, das 23 Mal so gross ist wie die Schweiz, wurden im Laufe der Jahre Millionen von Menschen entwurzelt, „vertrieben, um zu überleben!“ Muslimische Fanatiker sind in die Fussstapfen von Politikern getreten, die im Jahr 2000 die Demokratie in Nigeria untergruben, indem sie in 12 Bundesstaaten gewaltsam die Scharia einführten, was im Widerspruch zur Verfassung Nigerias stand. Mehr als 16 000 Christen wurden von 2019 bis Oktober 2023 getötet, gemäss der Beobachtungsstelle für Religionsfreiheit in Afrika (ORFA) in einem Ende August 2024 veröffentlichten Bericht. Innerhalb von zehn Jahren wurden mehr als 100 000 Menschen aus religiösen Gründen getötet, die höchste Zahl aller Länder der Welt derzeit.
Der katholische Geistliche, warnt, dass die muslimischen Fulani-Nomaden, die in allen 36 Bundesstaaten Nigerias leben, für weitaus mehr Morde verantwortlich sind als Boko Haram, die salafistisch-dschihadistische Terrorbewegung, die 2009 einen bewaffneten Aufstand in den nördlichen Bundesstaaten Nigerias begonnen hatte.
Dies hat für ihn auch eine politische Komponente: «Die Angriffe der Fulani werden von der Bundesregierung als Angriffe von 'Banditen' bezeichnet, aber die Regierung ist kompromittiert. Mohammed Buhari, Präsident von 2015 bis 2023, ein bekennender islamischer Fundamentalist, nutzte seine Präsidentschaft, um Personen mit der gleichen Einstellung wie er, in der Armee, den Sicherheitsdiensten, im öffentlichen Dienst, in politischen Ämtern, in der Wirtschaft und in internationalen Positionen zu installieren.»
Traditionelle Häuser in Nigeria. (Foto: ACN)
„Der seit Mai 2023 amtierende Präsident, Bola Tinubu, ebenfalls Muslim, führt das von Buhari eingeführte System weiter. Nigeria erhält finanzielle Unterstützung von Saudi-Arabien und wird von der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) - ehemals Organisation der Islamischen Konferenz - unterstützt. Das Ziel ist die Islamisierung des Landes», so Obiora Ike.
Obwohl die Christen etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, werden sie systematisch diskriminiert und unterdrückt. Die Christen, in der Regel besser ausgebildet und mehr an der Entwicklung ihrer Regionen interessiert, haben sich in der Vergangenheit kaum in der Politik engagiert.
Die Christen in Nigeria sind eine schweigende und unterdrückte Mehrheit, Bürger zweiter Klasse. Die muslimischen Fo ulani sind eine herrschende Minderheit. Diese Situation besteht bereits seit der Ankunft der Briten im Land, die den nationalistischeren und besser ausgebildeten Christen aus dem Süden nicht trauten. Die Christen in den südöstlichen Regionen (damals unter dem Namen Biafra bekannt) hatten keinen Zugang zu den Sphären der Zentralmacht. Der Bürgerkrieg in Biafra (1967-1970), der über zwei Millionen Menschen, vor allem Kindern, das Leben kostete, verstärkte diesen Trend noch.
In Nigeria gibt es heute etwa 4 Millionen Binnenvertriebene aufgrund des Boko-Haram-Aufstands im Nordosten - in den Bundesstaaten Borno, Adamawa und Yobe -, aber der Konflikt zwischen den bewaffneten Banden der Fulani-Viehzüchter und Bauern. Im Nordwesten und in den Regionen des „mittleren Gürtels“, dem „Middle Belt“, einer Region, die sich längs durch Zentralnigeria zieht und eine Übergangszone zwischen dem überwiegend muslimischen Norden und dem überwiegend christlichen Süden bildet, ist die Gewalt weit verbreitet.
Im Bundesstaat Benue - der oft als „Nahrungsmittelspeicher“ Nigerias bezeichnet wird - und im Bundesstaat Nasarawa gibt es etwa 2 Millionen Menschen, die aufgrund des Konflikts zwischen Fulani-Viehzüchtern und Bauern vertrieben wurden. Diese Auseinandersetzungen, bei denen es oft um Land- und Wasserressourcen geht, haben sich im Laufe der Jahre verschärft und zu weit verbreiteter Unsicherheit und einer Massenflucht der Gemeinschaften aus ihren angestammten Gebieten geführt. Die daraus resultierende humanitäre Krise überfordert den Staat. Viele Binnenvertriebene leben noch immer in Flüchtlingslagern, die ursprünglich als vorübergehende Zufluchtsorte gedacht waren.
Eine verletzte Christin nach einem Angriff von Fulani Hirten Ende 2022. (Foto: ACN)
Die ursprüngliche Boko Haram, die das islamistische 'Kalifat' errichten wollte, ist verschwunden und zu einem blossen Akteur des dschihadistischen Banditentums geworden, der sich in der Entführungsindustrie und im Kampf um die Kontrolle über den Abbau seltener Mineralien wie Lithium engagiert. Die verschiedenen Bodenschätze werden oft illegal, unreguliert und quasi handwerklich, abgebaut.
Minenbesitzer beuten Kinder aus armen Familien aus, die in einem Land, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze lebt, nach Arbeit suchen. Der Abbau von Lithium hat friedliche, abgelegene Gemeinden in Standorte illegaler handwerklicher Minen verwandelt. Hinter den Banden stehen „Paten“, die sich gegenseitig bekämpfen, um in den Besitz der Ressourcen zu gelangen und diese auszubeuten, weil es in diesen Gebieten keine Regierungspräsenz gibt. Am Ende der Kette dieser informellen Wirtschaft sind die Käufer oft Chinesen. „Es sind die Afrikaner, die arbeiten, aber diejenigen, welche die Fäden ziehen, sind häufig Chinesen, Franzosen, Libanesen, Koreaner, Inder oder Israelis», so Msgr. Ike.
Radio Interview von Msgr Ike. (Foto: ACN)
Obiora Francis Ike wurde 1956 in Gusau im Nordwesten Nigerias geboren, wohin seine Eltern nach dem Biafra-Krieg ausgewandert waren. Er gehört der ethnischen Gruppe der Igbos an, einer überwiegend christlichen Gruppe, die im Südosten Nigerias sehr einflussreich ist. Mit 22 Jahren machte er seinen Bachelor in Philosophie und studierte anschliessend einige Jahre in Deutschland (Bonn) und Österreich (Innsbruck). 1981 wurde er in Feldkirch, Vorarlberg, zum Priester geweiht. In Bonn promovierte er in Theologie und Philosophie, bevor er sich 1986 in Sozialethik, Geschichte und Afrikanistik habilitierte. Im selben Jahr kehrte er in sein Heimatland zurück, wo er in Enugu das Katholische Institut für Entwicklung, Gerechtigkeit und Frieden (CIDJAP) gründete. Pater Obiora F. Ike gründete gut zwei Dutzend NGOs, die in den Bereichen christlich-muslimische Beziehungen, Ökumene, Bildung, Menschenrechte, Gerechtigkeit, Frieden und Entwicklung tätig sind. Er ist Autor zahlreicher Publikationen und hat im Ausland mehrere Preise und Auszeichnungen erhalten. Er ist der ehemalige Geschäftsführer des NGOs GlobEthics.net mit Sitz in Genf.
Angesichts des Leidens der nigerianischen Bevölkerung arbeitet die katholische Bischofskonferenz in der Nigerianischen Christlichen Vereinigung (CAN) zusammen, die unter anderem die katholische Kirche und den Nigerianischen Christenrat (CCN), die wichtigsten protestantischen Gruppen sowie die Pfingstkirchen umfasst. Ausserdem arbeitet sie mit gemässigten Muslimen und Gruppen der Zivilgesellschaft zusammen, die sich für Frieden einsetzen. Die Kirche arbeitet mit Binnenvertriebenen und engagiert sich im sozialen Bereich. Sehr oft ist die Kirche der einzige Akteur, der sich der Bevölkerung annimmt: Sie kümmert sich um Wasser, Berufsausbildung, Waisenhäuser, Schulen, Spitäler und Gesundheitsstationen. Die Kirche tut mit dem wenigen Geld, das sie hat, mehr als die Regierung,“ so Obiora Ike
Mit Ihrer Unterstützung kann das Hilfswerk «Kirche in Not (ACN)» in Nigeria Hilfe für die bedrängten und Not leidenden Christen leisten. Mit Ihrer Hilfe kann Binnenvertriebenen durch Hilfsgüter und Seelsorge geholfen werden. Ausserdem benötigen Priester und Ordensleute Ihre Unterstützung, damit Sie in den Flüchtlingslagern und Gemeinden Seelsorge und Hilfe für die Menschen leisten können, die unter der schrecklichen Situation und dem Terror in Nigeria leiden.
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